Experimentell wird nicht der Wirkungsquerschnitt, sondern die Anzahl der Ereignisse in einer bestimmten Zeit gemessen. Um daraus einen Wirkungsquerschnitt zu berechnen, benötigt man eine Größe, die Informationen über den Beschleuniger enthält (Bündelung des Strahls, Umlauffrequenz, etc.), die Luminosität. Man erhält dann
wobei auch als integrierte Luminosität bezeichnet wird. Die zur Umrechnung der (korrigierten!) Ereignisanzahl in einen Wirkungsquerschnitt benötigten integrierten Luminositäten finden Sie in Tabelle A.Eine weitere wichtige Größe ist die Zerfallsbreite. Bei einem Resonanzzustand, der nach kurzer Zeit wieder zerfällt, ist die Lebensdauer interessant. Diese Zeiten sind jedoch derart kurz, dass man sie nicht durch Messung von Flugstrecken erhalten kann. Man kann jedoch aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation die Lebensdauer aus der Energieunschärfe abschätzen. Diese Energieunschärfe wird durch die (totale) Breite angegeben. Betrachtet man nur einen bestimmten Zerfallskanal, so bezeichnet man den Anteil, den er zur Breite beiträgt, als Partialbreite (= Verzweigungsverhältnis). Dabei muss die Summe aller Partialbreiten die totale Breite ergeben.
Für qualitative Berechnungen ist es oft praktischer, Einheiten zu verwenden, bei denen gilt. Will man jedoch etwas quantitativ ausrechnen, so sollte man die entsprechenden Faktoren nicht vergessen!
Um eine Reaktion zu beschreiben, reicht es nicht aus, einfach Anfangs- und Endzustand zu nennen, denn der Weg dorthin ist wichtig, um Ereignisraten zu berechnen. Eine anschauliche Möglichkeit, einen Prozess darzustellen, bieten die Feynman-Diagramme (nach Richard Feynman). Dabei handelt es sich um eine Art Zeit-Weg-Diagramm, wobei die Impulsrichtung von Fermionen als Pfeil eingezeichnet ist. Photonen werden als Wellenlinien, Gluonen als Schraubenlinien und andere Eichbosonen als gestrichelte Linien dargestellt.
Auch bei der Berechnung von Übergangsamplituden und damit von Wirkungsquerschnitten sind die Feynmandiagramme hilfreich. Jede äußere Linie, jeder Vertex (Verzweigungspunkt) und jede innere Linie trägt – nach bestimmten Rechenregeln (siehe Halzen/Martin Kapitel 13.4) – einen Faktor bei. Dabei muss man berücksichtigen, dass verschiedene Prozesse zu den gleichen Endzuständen führen können.
Wie kommen wir jetzt auf die Anzahl der leichten Neutrinogenerationen? Da die theoretischen Partialbreiten für alle masselosen Neutrinogenerationen gleich sind, muss gelten:
Dazu eine kleine Analogie:
Stellen Sie sich einen Wassereimer vor, der unser darstellen soll. Für jeden möglichen
Zerfallskanal bohren wir ein Loch, dessen Größe von der Zerfallswahrscheinlichkeit abhängt, in den Boden
des Eimers. Das Wasser, das durch die Löcher für Elektronen, Myonen, Taus und Hadronen kommt, fangen wir
auf (Partialbreiten) und messen außerdem die Zeit, bis der Eimer leer ist (Lebensdauer/totale Breite).
Wir wissen also, wieviel Wasser durch die Löcher für die Neutrinos geflossen ist und können, wenn
wir wissen, wie groß diese Löcher sind, die Anzahl der Neutrinogenerationen bestimmen.
Jetzt müssen wir nur noch die theoretischen Wirkungsquerschnitte und Partialbreiten berechnen, was im folgenden Kapitel passiert.
Dies liegt daran, dass das nicht an die elektrische Ladung Q koppelt, sondern an die schwache Ladung, die alle Fermionen, nicht aber das Photon tragen.
Bei der schwachen Wechselwirkung unterscheidet man zwischen Vektor- (negativ unter Paritätstransformation)
und Axialvektorkopplung (positiv unter Paritätstransformation). Diese beiden unterschiedlichen Kopplungen
verursachen die Paritätsverletzung der schwachen Wechselwirkung. Es gilt:
Der Wirkungsquerschnitt der Reaktion , in dieser Ordnung auch Born-Wirkungsquerschnitt genannt, setzt sich aus einem reinen -Austausch-Term, einem reinen -Austausch-Term und einem Interferenz-Term zusammen:
Sie ergeben sich nach den Feynman-Regeln (unter Vernachlässigung der Fermionenmassen):
(2.6) | |||
(2.7) | |||
(2.8) |
Durchfährt man die Resonanzkurve, so stellt man für jeden Prozess die gleiche Breite fest. Der maximale Wirkungsquerschnitt für jeden Prozess wird durch den relativen Beitrag (die Partialbreite) des Zerfallskanals festgelegt.
Für die -Breite liefert jedoch nur der s-Kanal einen Beitrag. Die Endzustände von s- und t-Kanal sind identisch, d.h. ein einzelnes Ereignis ist nicht eindeutig dem einen oder anderen Kanal zuzuordnen. Die statistische Winkelverteilung ist jedoch unterschiedlich und wird daher benutzt, um den Anteil der s-Kanal Ereignisse zu bestimmen. Wir betrachten dazu den differentiellen Wirkungsquerschnitt , der nicht vom Winkel (rund um die Strahlachse), sondern nur vom Winkel (zwischen dem einlaufenden und dem auslaufenden Elektron) abhängt. Für den t-Kanal als Streuprozess an punktförmigen Teilchen gilt
Im Praktikumsversuch wird folgendermaßen vorgegangen: Von der (auf Effizienz korrigierten) Winkelverteilung der selektierten Ereignisse wird die Standardmodell-Vorhersage für t- und s-t-Interferenzkanal abgezogen. An die resultierende Winkelverteilung wird der theoretische Verlauf des s-Kanals angepasst, wobei die Anzahl der s-Kanal-Ereignisse als Parameter entnommen wird. Daraus kann man den partiellen Wirkungsquerschnitt und die Partialbreite wie bei den anderen Fermionen berechnen (siehe auch Kapitel C.3.4).
Ein weiteres Problem stellt die Beurteilung des Untergrundes in anderen Prozessen dar. Durch den zusätzlichen t-Kanalbeitrag ist die Wahrscheinlichkeit für Elektron-Endzustände höher als für die anderen Leptonen (hadronische Endzustände überwiegen wegen der größeren Partialbreite). Dies muss bei der Untergrundberechnung aus Monte-Carlo N-Tupeln gleicher Größe durch geeignete Faktoren berücksichtigt werden.
Die Asymmetrie entsteht durch die Interferenz der beteiligten Wechselwirkungen, d.h. ober- und unterhalb des -Maximums (off-peak) ist die Ursache der Asymmetrie die Interferenz der elektromagnetischen Vektor- und der schwachen Axial-Vektor-Wechselwirkung. Die Asymmetrie am Maximum entsteht durch die unterschiedlichen Kopplungen der schwachen Vektor- und Axial-Vektor-Wechselwirkung, ist jedoch wesentlich geringer als off-peak. Dies drückt sich dadurch aus, dass am Peak
Für Leptonen ist sehr klein, was zu einer kleinen Asymmetrie am Maximum führt.
Eine Messung von am Resonanzmaximum führt damit zu einer direkten Messung von und somit zu einer Messung von .
Wichtige photonische Korrekturen sind die Anfangsbremsstrahlung (inital state radiation),die Endbremsstrahlung (final state radiation) und die Interferenz dieser beiden Effekte (Abb. 2.4).
Im Falle der Photonabstrahlung im Anfangszustand lässt sich die Auswirkung auf den Wirkungsquerschnitt einfach verstehen: Diese Abstrahlung verringert die Energie des Elektrons, oder des Positrons oder beider, so dass die Schwerpunktsenergie des -Systems im Augenblick der Wechselwirkung nicht mehr entspricht. Dadurch wird der Wirkungsquerschnitt am Peak (91 GeV) wesentlich geringer sein als in Born-Näherung (Größenordnung 25%), wohingegen er für größere Energien höher gemessen wird (wegen 91 GeV).
Wird bei einer Schwerpunktsenergie, die größer ist als die -Masse, ein Anfangsbremsstrahlungsphoton abgestrahlt, so dass die effektive Schwerpunktsenergie ungefähr bei der -Masse liegt, so erhält man einen wesentlich höheren Wirkungsquerschnitt (man spricht vom „radiative return`` ). Dies hat insbesondere bei der Messung der Asymmetrie oberhalb der -Masse zur Folge, dass ein wesentlicher Teil der Reaktionen bei der -Masse stattfindet und die Asymmetrie dadurch geringer ausfällt als erwartet.
Nicht-photonische Prozesse (Vertex- und Propagator-Korrekturen) sind im Gegensatz zu Bremsstrahlungskorrekturen, d.h. reeller Photonabstrahlung, durch den gleichen Endzustand wie im Falle der Born-Näherung charakterisiert (Abb. 2.5),
der Weg ist jedoch ein anderer. Durch den zusätzlichen Beitrag weiterer Feynmandiagramme (Abb. 2.5) ändert sich der Wirkungsquerschnitt. Dieses Phänomen ist auch für das schon angesprochene Laufen der Kopplungskonstanten (siehe QED-running) verantwortlich.Virtuelle Strahlungskorrekturen sind besonders interessant, da in diesen Fermion-Schleifen schwere virtuelle Teilchen (also z.B. auch bei LEP top-Quarks) auftreten können. Dies liefert wertvolle Hinweise bei der Suche nach neuen Teilchen (beim Higgs-Boson war dies der Fall). Betrachtet man auch Terme höherer Ordnung, so werden u.a. die Kopplungen und mit einem Faktor versehen, der und enthält.
Für hadronische Endzustände müssen zusätzlich QCD-Korrekturen berücksichtigt werden, die sich aus Vertexkorrekturen und Gluonabstrahlungsprozessen (Abb. 2.6) zusammensetzen.
Da auch die Gluonen Farbladungen tragen, fragmentieren sie ähnlich wie Quarks und man kann somit diese Ereignisse daran erkennen, dass zusätzlich zu den zwei Jets in Richtung der Quarks noch ein weiterer Jet in Richtung des abgestrahlten Gluons entsteht.
Im Praktikumsversuch werden die QED-Strahlungskorrekturen sowohl beim Fit an die Breit-Wigner
Kurve als auch bei der Asymmetriemessung von einem Fitprogramm übernommen. Um QCD-Korrekturen einzuführen,
setzen wir an der Stelle an, an der sich hadronische von anderen Ereignissen unterscheiden, nämlich beim
Farbfaktor . Wir setzen