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Die in diesem Versuch verwendeten Daten wurden am “Large Electron-Positron Collider”(LEP) aufgenommen, der von 1989 bis 2000 in Betrieb war. Beim Bau mussten nicht nur die 27 km Haupttunnel (Abb. 3.2)
gegraben werden, sondern auch noch vier unterirdische Experimentierhallen, 18 Zugangsschächte, mehr als 3 km Sekundärtunnel und ungefähr 60 unterirdische Räume. Nach einer Füllzeit von ca. 90 min kreisten je 4 Pakete (bunches) von Elektronen und Positronen (d.h. es flossen ca. 6 mA) mit entgegengesetzter Umlaufrichtung für ca. 20 h. An vier Wechselwirkungszonen befanden sich die vier LEP-Detektoren Aleph, Delphi, L3 und OPAL. Dort trafen sich ca. alle 25 s die Elektron- und Positron-Pakete und es passierte in den allermeisten Fällen — nichts. Nur ca. einmal pro Sekunde kam es zu der Reaktion .In den Jahren 1989-1995 wurde LEP bei Schwerpunktsenergien nahe der -Masse betrieben. Dabei wurden Daten von ca. -Zerfällen aufgezeichnet, die eine sehr genaue Bestimmung der Parameter zuließen. Im Praktikumsversuch arbeiten Sie nur mit einem Teil der Daten (auch nur mit einem Teil der zu jedem Ereignis gehörenden Information), damit Sie die N-Tupel in annehmbarer Zeit bearbeiten können.
Die nur von der Beschleunigergeometrie (Strahlbündelung) abhängige Luminosität von LEP betrug ca. . Um jedoch die für die Präzisionsmessungen benötigten genauen integrierten Luminositäten zu erhalten, hat man die Ereignisrate für einen gut berechenbaren Prozess wie die elastische -Streuung (Bhabha-Streuung) bei kleinen Streuwinkeln gemessen. In diesem kinematischen Bereich ist der Wirkungsquerschnitt im Rahmen der Quantenelektrodynamik (QED) mit einer Genauigkeit von besser als 0.1% berechenbar. Dadurch konnte man nach (2.1) auf die integrierte Luminosität zurückrechnen.
An Aufbau und Betrieb des OPAL-Detektors sowie den verschiedenen Analysen der Daten waren 35 Institute aus der ganzen Welt beteiligt. In den späteren Jahren wurden Schwerpunktsenergien von bis zu 209 GeV erreicht, bei denen andere physikalische Prozesse im Vordergrund stehen.
In den Tunnelanlagen befindet sich heute der Large Hadron Collider. Dort werden momentan Daten von Proton-Proton-Kollisionen bei einer Schwerpunktsenergie von bis zu 13.6 TeV aufgenommen. Die LMU München ist am ATLAS-Detektor (A Toroidal LHC ApparatuS) beteiligt. Eins der Hauptziele des LHC-Projekts war der Nachweis des durch den Higgs-Kibble-Mechanismus vorhergesagten Higgs-Bosons, was dann auch 2012 erfollgt ist (siehe Higgs-Boson).
Die Vieldrahtproportionalkammer (Nobelpreis 1992 für G. Charpak) ist eine Weiterentwicklung des vielseitig benutzten Proportionalzählers. Sie besteht aus vielen Anodendrähten, die in einer Ebene aufgespannt sind. Die einzelnen Zähldrähte werden unabhängig voneinander ausgelesen und liefern damit eine Ortsinformation, deren Genauigkeit vom Abstand der Drähte abhängt.
Die Zeitdifferenz zwischen dem Teilchendurchgang und dem Ansprechen des Zähldrahtes ist bei konstanter Driftgeschwindigkeit proportional zum Abstand der Bahnkurve des geladenen Teilchens vom Zähldraht. Durch Messung dieser Zeitdifferenz erhält man eine große Ortsgenauigkeit bei einer geringen Zahl von Zähldrähten. Dies ist das Prinzip der Driftkammer.
Üblicherweise durchsetzt man die Driftkammer mit einem Magnetfeld, misst die Krümmung der geladenen Spuren und kann dadurch den Impuls rekonstruieren. Außerdem misst man die spezifische Ionisation , was Rückschlüsse auf die Masse zulässt.
Zwischen einem elektromagnetischen Schauer (ausgelöst durch Elektronen und Photonen) und einem hadronischen Schauer (ausgelöst durch z.B. p, n, ) bestehen erhebliche Unterschiede, die die Natur der beiden Schauerprozesse widerspiegeln.
Elektronen hoher Energie verlieren diese beim Durchgang durch Materie vor allem durch Bremsstrahlung. Die dabei entstehenden Photonen werden hauptsächlich durch Bildung von -Paaren absorbiert. Diese bilden durch Bremsstrahlung weitere Photonen. Auf diese Weise kommt es zu einer Kaskade („Schauer”) aus , und , die erst dann abbricht, wenn die Energie der Elektronen und Positronen eine sogenannte kritische Energie erreicht hat. ( ist die Energie bei der der Energieverlust durch Bremsstrahlung gerade so groß ist wie der durch Ionisation.)
Die Länge des Schauers hängt logarithmisch von der Energie des einfallenden Teilchens ab. Die Ausdehnung des Schauers ist aber auch lateral begrenzt. Ein charakteristisches Maß dafür ist der Moli re-Radius:
Die beste Energiegenauigkeit erreicht man mit Blöcken aus schwerem Szintillatormaterial (z.B. Bleiglas oder Wismut-Germaniumoxid BGO). Häufig werden jedoch Schauerzähler mit abwechselnden Schichten aus inaktivem Absorbermaterial (z.B. Pb) und aktiven Detektorschichten (Szintillator, Driftkammer) benutzt. Die Detektorschichten registrieren nur einen Teil der Schauerenergie, die auf diesem Wege stichprobenartig gemessen wird („Sampling calorimeter”). Die Ungenauigkeit der Energiemessung ist durch statistische Fluktuation in der Schauerentwicklung bestimmt.
Ein hadronischer Schauer entsteht, wenn ein stark wechselwirkendes Teilchen (Hadron, z.B. p, n, ) auf einen Absorber trifft und durch eine Serie von inelastischen Kernstößen sekundäre Hadronen erzeugt, die wieder inelastisch streuen. (Bremsstrahlung der primären Teilchen spielt hier aufgrund der großen Masse keine Rolle.) Diese Kaskade bricht erst dann ab, wenn die Schauerteilchen so kleine Energien haben, dass sie vollständig absorbiert bzw. abgebremst werden.
Die Beschreibung eines hadronischen Schauers ist sehr komplex, da hier eine Vielzahl verschiedener Teilchen erzeugt werden. Im Gegensatz zu Schauerzählern für Elektronen und Photonen wird im Hadronkalorimeter nicht die gesamte Energie der Teilchen in Ionisationsenergie verwandelt. Sie wird teilweise auf Neutrinos übertragen, die nicht weiter wechselwirken oder zur Erzeugung von Myon-Paaren aufgewendet, die nicht absorbiert werden.
An die Spule schließt sich in radialer Richtung das „Time-of-Flight System” (TOF) an. Es besteht aus 160 Szintillationszählern, welche parallel zur Strahlachse angeordnet sind und einen konischen Querschnitt haben. Die einzelnen Zähler sind 6.84 m lang, 89 bis 91 mm breit und 45 mm dick. Das Szintillatorlicht wird an beiden Enden der Zähler registriert. Die Signale des TOF werden zum Triggern des Detektors und zur Messung der Flugzeit von Teilchen benutzt.
Um das TOF ist der Presampler angebracht, welcher aus 16 Streamerkammern besteht. Mit ihm wird festgestellt, ob in den relativ dichten Materieschichten von Drucktankhülle und Magnetspule bereits ein Schauer eingesetzt hat. Anschließend folgen das elektromagnetische Kalorimeter (ECAL) und das hadronische Kalorimeter (HCAL), das gleichzeitig als Rückführjoch für das Magnetfeld der Spule dient. Ganz außen befinden sich vier Lagen von Myonkammern (MUON), die ähnlich wie die Spurkammern funktionieren, nur, dass andere, am Wechselwirkungspunkt erzeugte, geladene Teilchen (Elektronen, Hadronen) spätestens im hadronischen Kalorimeter gestoppt wurden und nur noch die Myonen ankommen und nachgewiesen werden.