Unterabschnitte
Ihre erste Aufgabe in diesem Versuch wird es sein, an Hand von
Ereignisdarstellungen auf dem Computerbildschirm und mit Hilfe weniger
Messgrößen die verschiedenen -Zerfälle zu identifizieren und von
Untergrundereignissen zu unterscheiden.
Dieses Kapitel soll Ihnen die wichtigsten Grundlagen
dazu vermitteln.
Da wir die Ereignisse nur aufgrund ihrer Endzustände trennen können, ist eine gute
Teilchenidentifikation eine wichtige Voraussetzung. Zuerst teilen
wir alle Teilchen in geladene (sichtbare Spur in den Spurkammern)
und ungeladene ein.
Geladene Hadronen unterscheiden sich von Elektronen durch die „Form” und
den Startpunkt des Schauers, der im elektromagnetischen Kalorimeter (ECAL)
ausgelöst wird. Der elektromagnetische Schauer eines Elektrons ist
vollständig im ECAL enthalten und hat eine geringe laterale Ausdehnung.
Hadronische Schauer dagegen beginnen in der Regel
später, sind breiter und dehnen sich in
das hadronische Kalorimeter (HCAL) aus. Der Schwerpunkt der Energiedeposition
liegt meistens im HCAL. Die Unterschiede von elektromagnetischen
und hadronischen Schauern werden jedoch
mit fallender Teilchenenergie immer geringer, geladene Hadronen und Elektronen
können unterhalb einer Energie von 2 GeV mit Hilfe der Schauerentwicklung
nicht mehr getrennt werden.
Bei niedrigen Energien besteht die Möglichkeit, Teilchenidentifikationen
auf Grund des spezifischen Energieverlusts in der Jet-Kammer
durchzuführen.
Myonen erzeugen beim Durchgang durch die Kalorimeter keinen Schauer, sie
verlieren (
) auch als minimal ionisierende Teilchen nur
wenig Energie durch Ionisation ,
entsprechend dem Gesetz von Bethe-Bloch, und können daher dicke
Materieschichten durchdringen
(vgl. Abb. 4.1)
Abbildung 4.1:
Schematische Darstellung
der Signatur von Elementarteilchen im OPAL-Detektor. Durchgezogene Linien in den Spurkammern
deuten Spuren von geladenen Teilchen, gestrichelte Linien „nicht gefundene Spuren” neutraler Teilchen an.
Die eingezeichneten „Blasen” zeigen die Umrisse der elektromagnetischen und hadronischen Schauer.
|
Die Identifikation neutraler Teilchen erfolgt über die
unterschiedlichen Schauerprofile (Länge, Breite). Neutrale Teilchen,
die in den Spurkammern in geladene Teilchen zerfallen bzw.
konvertieren, zeigen zwei Spuren mit einer typischen V-Form. Die Spitze des V,
also der Zerfallsort des neutralen Teilchens, liegt dabei außerhalb des
Primärvertex.
Das zerfällt „sofort” in
zwei Photonen, deren Öffnungswinkel von der Energie des abhängt.
Mit steigender Energie liegen die beiden
Photonen immer dichter zusammen (Lorentzboost)
und können dann von einem einzelnen Photon, das nicht aus einem -Zerfall
stammt, nicht mehr unterschieden werden.
Photonen werden durch ihren elektromagnetischen Schauer,
neutrale Pionen durch zwei dicht
beieinander liegende elektromagnetische Schauer identifiziert.
Es darf dabei in beiden
Fällen keine Spur gefunden werden, welche auf die Schauer zeigt.
Bevor Photonen in das ECAL eintreten, können
sie in Materie in ein -Paar konvertieren. Da praktisch die gesamte
Materie (oder besser: die gesamte Strahlungslänge)
in den Wänden des Zentraldetektors und der Spule konzentriert ist, besteht
eine große
Wahrscheinlichkeit, dass die Konversion in diesen Bereichen stattfindet.
Ein konvertiertes Photon wird durch zwei geladene Spuren in V-Form und durch
zwei elektromagnetische Schauer identifiziert.
Spuren und Schauer müssen eindeutig zueinander in Beziehung stehen.
Neutrale Hadronen mit großer Fluglänge werden durch einen hadronischen
Schauer, auf den keine Spur zeigt, identifiziert. In Abb. 4.1 ist
weiterhin
der Zerfall eines in zwei geladene Pionen als Beispiel für die Signatur
eines kurzlebigen neutralen Hadrons gezeigt. Der Zerfall findet mit einem
Verzweigungsverhältnis von 69% statt. Nicht gezeigt ist der Zerfall
des in zwei neutrale Pionen mit einem Verzweigungsverhältnis von
31%.
Für die im Praktikumsversuch durchzuführende Analyse ist es jedoch weniger wichtig, ein von einem
zu unterscheiden, als Elektronen und Myonen von Hadronen. Außerdem betrachten wir im zweiten Teil
so viele Ereignisse (es wurden ca. 4 000 000 -Zerfälle aufgezeichnet, die Sie jedoch
nicht alle bearbeiten), dass wir nicht alle Details wie Schauerform oder spezielle Geometrie
betrachten können, sondern diese in globalen Variablen zusammenfassen.
In Ihrem N-Tupel haben Sie die folgenden Größen zur
Verfügung:
- Run: Bezeichnet zeitlich zusammenhängende Messperiode
- Event: Dient zur eindeutigen Identifikation des Ereignisses innerhalb einer Messperiode
- Ncharged: Anzahl der in den Spurkammern gefundenen Spuren geladener Teilchen eines Ereignisses.
- Pcharged: Skalare Summe der in den Vertex-/Jet-/Z-Kammern gemessenen Impulse aller geladenen
Spuren eines Ereignisses. ('geladene Energie')
- N_ecal: Anzahl der Einträge ins elektromagnetische Kalorimeter.
- E_ecal: Gesamte im ECAL gemessene Energie eines Ereignisses.
('ECAL Energie')
- E_hcal: Gesamte im HCAL gemessene Energie eines Ereignisses.
('HCAL Energie')
- Nmuonen: Anzahl der in den Myonkammern gefundenen Einträge.
- Thrust:
, wobei
eine beliebige Achse durch den Vertex
ist. Die Achse
, bei der das Maximum auftritt wird auch als Thrustachse bezeichnet.
Diese Größe gibt an, wie weit gefächert der Teilchenstrahl ist. Die Thrustachse entspricht meistens
ungefähr der Achse, auf der das primär erzeugte Fermion-Antifermionpaar auseinander geflogen ist. Sie
ist durch die Winkel und definiert.
- Cos_thru: Cosinus des Winkels (Winkel zwischen Thrust- und Strahlachse).
Gibt die Lage der Ereignisachse zum Strahlrohr an
- C_thru_n und C_thru_p: Cosinus des Winkels , wenn man separate Thrustachsen
für die von Fermion und Antifermion erzeugten Teilchenjets bildet.
- Acol: Die Acolinearität ist der Winkel zwischen thru_n und thru_p
- Phi_thru: Winkel der Thrustachse
- D0mean: Mittlerer Abstand aller Spuren von der Detektormitte in der -Ebene in cm
- Z0mean: Mittlere z-Koordinate aller Spuren in cm
- E_lep: Strahlenergie, d.h. halbe Schwerpunktsenergie
Dabei sind alle Energien in GeV angegeben.
In welcher Weise diese Messgrößen eingesetzt werden, wird im folgenden
Abschnitt detailliert erläutert. Als Beispiel kann die Trennung der
-Ereignisse von
-Ereignissen erste Erkenntnisse liefern.
Beide Ereignisklassen unterscheiden sich,
wie man sich leicht überlegen kann, fast nicht in den Variablen Pcharged und
Ncharged.
Kleine Unterschiede werden wegen der in
-Ereignissen größeren
Wahrscheinlichkeit, Bremsstrahlungsphotonen abzugeben, verursacht.
Große Unterschiede ergeben sich aber in der totalen
Energie im ECAL. Für die
- Ereignisse sollte im Mittel
die Schwerpunktsenergie gemessen werden. In den
-Ereignissen erwartet man von den beiden Myonen, wie bereits erwähnt, nur
eine kleine Energiedeposition mit einem Äquivalent von 2 GeV im ECAL.
In
-Ereignissen wird keine Energie im HCAL deponiert. Die
Myonen der
-Ereignisse durchdringen das ECAL und das HCAL und geben
zusammen im Mittel ein Energieäquivalent von 5
GeV an das HCAL ab. Die Trennung
der
-Ereignisse von den
-Ereignissen
kann also mit einem sogenannten
Schnitt auf die Messgröße E_ecal durchgeführt werden. Man verlangt, dass
E_ecal größer sein muss als ein bestimmter, vom Experimentator
( Praktikumsteilnehmer)
zu ermittelnder Wert.
Das Ziel ist es, den Schnitt in einer
geeigneten Messgröße oder gleichzeitige Schnitte in
verschiedenen Messgrößen so zu wählen, dass ein möglichst
großer Anteil der „gewünschten” Ereignisse die Schnittbedingung(en) erfüllt
und der Anteil an „unerwünschten” Untergrundereignissen möglichst klein wird.
Als Akzeptanz einer oder mehrerer Schnitte bezeichnet man das Verhältnis der
Ereignisse einer ausgewählten
Klasse, welche die Schnittbedingungen passieren, zu der Zahl
aller vorhandener Ereignisse derselben Klasse.
Die erreichte Akzeptanz und Untergrundunterdrückung hängen sowohl von den
Mittelwerten als auch von den Breiten der Verteilungen ab.
Dazu sind in Abb. 4.2 zwei hypothetische Beispiele gezeigt.
Abbildung 4.2:
Beispiele zur Prozedur des Schneidens
|
Im ersten Beispiel sind die Ereignisklassen A und B in der Variablen X
vollständig getrennt. Eine Akzeptanz von 100% und eine vollständige
Unterdrückung der jeweils unerwünschten Ereignisklasse ist mit einem Schnitt
zwischen 40-60 in der Variablen X möglich. Dies ist der Idealfall. Der
Normalfall ist im zweiten Beispiel gezeigt. Mit der Wahl des Schnitts legt man
die Akzeptanz und die Beimischung des Untergrunds fest. Liegt das
Augenmerk darauf, eine besonders reine Menge der Ereignisklasse A zu erhalten,
muss der Schnitt in X klein gewählt werden (
). Will man
möglichst alle Ereignisse der Klasse A behalten, so muss der Schnitt groß
gewählt werden (
).
Um eine Ereignisklasse aus den gesamten Daten abzutrennen, genügt es meistens
nicht, nur in einer Messgröße zu schneiden; es sind gleichzeitige Schnitte in
verschiedenen Messgrößen erforderlich.
Weiterhin können Schnitte natürlich auch auf zusammengesetzte Messgrößen
erfolgen. Fordert man z.B. ,
so schneidet man im zweidimensionalen
Raum X-Y eine Kreisfläche mit dem Radius aus.
Das Ziel dieses Schnittverfahrens ist es, die am besten geeigneten Variablen zu
finden und die Schnittbedingungen zu optimieren, um eine möglichst reine
Ereignismenge zu erhalten.
Im Praktikumsversuch müssen diese Schnitte von Hand gemacht werden, es ist jedoch auch möglich,
mathematische Optimierungsverfahren (Fischer Diskriminanten, neuronale Netze) zu nutzen. Wendet man diese
Verfahren an, so ist es jedoch schwieriger, systematische Fehler zu bestimmen.
Durch Schnitte verliert man prinzipiell, wie es in Abb. 4.2 anschaulich
gezeigt ist, Ereignisse der gesuchten Klasse und behält einen Anteil an
unerwünschten Untergrundereignissen. Zur Berechnung von Wirkungsquerschnitten
(dies ist ebenfalls Teil des Praktikumsversuchs)
benötigt man neben der integrierten
Luminosität (vgl. Tabelle A) die „genaue” Zahl der
aufgetretenen Ereignisse einer Klasse.
Nach den Schnitten erhält man eine Zahl von
beobachteten Ereignissen , die korrigiert werden muss.
Eine Korrektur
von , die nur auf Daten basiert, ist in
Beispiel 2 Abb. 4.2 nicht
möglich, da man im Experiment die Verteilungen in der Messgröße X
der beiden Ereignisklassen A und B nicht einzeln messen kann, sondern
nur deren Summe.
Eine Möglichkeit, die wegen der Schnitte auftretenden
Akzeptanzverluste
zu bestimmen, bieten Ereignissimulationen mit Hilfe von Computerprogrammen. Dazu
wird eine bestimmte, möglichst große Anzahl an Ereignissen einer bestimmten
Klasse folgendermaßen generiert: Zunächst erzeugt man in einer -Annihilation
auslaufende Fermion-Antifermion-Paare. Dann simuliert man für Quark-Antiquark-Paare den
Hadronisierungsprozess und dann den Zerfall
der instabilen Teilchen. In einem letzten,
sehr aufwendigen Schritt werden alle Detektorsignale simuliert, wie sie von den
durchlaufenden Teilchen erzeugt werden, so dass zum Schluss die
Informationen in gleicher Weise vorliegen wie bei „richtigen”
Ereignissen. Simulierte und beobachtete Ereignisse können jetzt mit den
gleichen Analyseprogrammen untersucht werden. Bei der Ereignissimulation
werden alle nutzbaren theoretischen und experimentellen Kenntnisse
verwendet. Die simulierten Daten enthalten neben den auch in tatsächlichen
Daten enthaltenen Informationen zusätzlich Angaben über
die entstandenen Teilchen, so dass man die Reaktion des Detektors bei
ganz bestimmten Ereignissen untersuchen kann!
Simuliert man in unserem Beispiel die Ereignisklassen A und B, so
können die einzelnen Verteilungen in der Größe X getrennt bestimmt werden.
Wendet man nun die gleichen Schnitte wie auf die Daten an, so erhält man sehr
einfach die Akzeptanz. In gleicher Weise kann man den Untergrundbeitrag
berechnen. Dazu ist allerdings eine relative Normierung zwischen den beiden
Verteilungen der Klasse A und B nötig. Dies kann z.B. durch eine Anpassung der
Daten an die beiden überlagerten Einzelverteilungen erfolgen. Das Ergebnis der
Anpassung ist dann der relative Anteil an Ereignissen der Klasse A zur Klasse B.
Man sollte jedoch bei der Verwendung von Monte-Carlos nie aus den Augen verlieren, dass man bereits eine
Menge Annahmen über den zu untersuchenden Prozess in die Auswertung hineinsteckt. Man muss also aufpassen,
dass die Ergebnisse nicht zu stark mit den Monte-Carlos korreliert sind, sonst bekommt man nur das Ergebnis,
das man hineingesteckt hat. So können systematische Fehler entstehen, deren Beurteilung für Sie jedoch
schwierig ist (da Sie nichts über die Entstehung der Monte-Carlos wissen) und über den Praktikumsversuch
hinaus geht.
Die Zerfallsprodukte dieses Zerfalls können nicht nachgewiesen werden, man
spricht deshalb von den sogenannten “invisible decay modes”. Es besteht
allerdings die Möglichkeit, den Zerfall
zu identifizieren, indem man
das Anfangsbremsstrahlungsphoton der Reaktion
nachweist.
Abbildung 4.3:
GROPE Bild
|
Es sind in niedrigster Ordnung der Störungstheorie drei Prozesse
(Feynman-Graphen) von Bedeutung (Abb. 4.8a,b,c). Betrachtet man nur den
s-Kanal-Austausch des und des Photons, so ist bei einer
Schwerpunktsenergie, die der zentralen Masse des entspricht, der
Photonaustausch um zwei Größenordnungen und der Interferenzterm um drei
Größenordnungen unterdrückt.
Eine wichtige Rolle spielt jedoch der
t-Kanal-Austausch des Photons,
wie er in Abb. 4.8c gezeigt ist. Dieser Prozess hat
einen sehr hohen Wirkungsquerschnitt für kleine Streuwinkel () und
wird wegen der genauen Kenntnis des Wirkungsquerschnittes benutzt,
um die Luminosität zu messen. Um t- und s-Kanal voneinander zu trennen, steht Ihnen
im Versuch das Notebook 02_s_channel.ipynb zur Verfügung.
Abbildung 4.4:
GROPE Bild
|
Diese Ereignisklasse wird durch zwei das HCAL durchdringende Myonen und durch Signale
in den Myonkammern identifiziert. Die Spurpunkte in den Myonkammern müssen
eindeutig mit den Spuren im Zentraldetektor in Verbindung gebracht werden. Bei der Extrapolation der
Zentraldetektorspur muss auch das Magnetfeld im HCAL berücksichtigt werden.
Das Übereinstimmen lässt sich jedoch nur in den Orginaldaten und nicht in den N-Tupeln prüfen. Daher
ist es besser, den Impuls der Spuren (ziemlich genau 90 GeV) als Schnittgröße herzunehmen.
Abbildung 4.5:
GROPE Bild
|
Das Tau-Lepton kann in viele verschiedene Endzustände zerfallen (vgl.
Tabelle 4.3.4). Eine Zuordnung zu einem bestimmten Zerfallskanal kann daher im
Rahmen des Praktikums nicht durchgeführt werden.
Man unterscheidet Tau-Zerfälle oft nach der Zahl der emittierten geladenen
Teilchen und spricht von n-prong-Ereignissen,
wenn das Tau in n geladene Teilchen
zerfällt. Dabei überwiegen bei weitem die 1-prong-Zerfälle
(1-prong: 86%, 3-prong: 14%, 5-prong: 0.11%).
Um -Ereignisse
gegen hadronische Ereignisse abzutrennen,
verlangt man, dass die geladene Multiplizität klein ist.
Mit diesem Schnitt hat man
jedoch noch keine Unterscheidung in den leptonischen Ereignissen gefunden. Das
in jedem Tau-Zerfall emittierte Neutrino trägt einen Teil der Energie mit
sich, ohne dass es im Detektor nachgewiesen wird. Verlangt man deshalb,
dass die „ECAL Energie” deutlich kleiner ist als die Schwerpunktsenergie,
so kann man -Ereignisse
bereits sehr gut von -Ereignissen trennen.
Tabelle:
Die Zerfallsmodi des Tau-Leptons mit den größten
Verzweigungsverhältnissen am Beispiel des -Zerfalls.
Zerfallsmodus |
Verzweigungsverhältnis |
|
|
25.51% 0.09% |
1-prong |
|
17.85% 0.05% |
1-prong |
|
17.36% 0.05% |
1-prong |
|
10.91% 0.07% |
1-prong |
|
9.32% 0.07% |
3-prong |
|
4.61% 0.06% |
3-prong |
|
1.04% 0.07% |
1-prong |
|
In gleicher Weise kann man gegen -Ereignisse schneiden,
indem man fordert, dass die „geladene Energie” kleiner als die
Schwerpunktsenergie ist.
Es sind eine ganze Reihe weiterer Schnitte
zur Identifikation
des Tau-Leptons entwickelt worden, die z.B. ganz bestimmte Zerfallskanäle
herausfiltern.
Abbildung 4.6:
GROPE Bild
|
Die mittlere gemessene Multiplizität (Zahl der rekonstruierbaren,
geladenen Spuren)
in hadronischen Ereignissen
beträgt 20 und ist damit sehr viel größer als in leptonischen
Ereignissen.
Zusätzlich werden in dem Hadronisierungsprozess des
Quark-Antiquark-Paares neutrale Hadronen, hauptsächlich
, erzeugt.
Hadronische Ereignisse sind mit einem Schnitt in der Multiplizität
im Prinzip leicht von allen übrigen Ereignissen zu
trennen. Man muss prinzipiell die bisher nicht erwähnten Zwei-Photon-Reaktionen
als Untergrundquelle in Betracht ziehen, ein Beispiel für diesen Prozess ist in
Abb. 4.8e gezeigt. Elektron und Positron strahlen jeweils ein virtuelles
Bremsstrahlungsphoton ab, welche sich in einem
Fermion-Antifermion-Paar ()
vernichten. Handelt es sich dabei um Quark-Antiquark-Paare, so hadronisieren
diese wiederum in beobachtbare Teilchen. Elektron und Positron werden meist nur
wenig gestreut und bleiben in der Vakuumröhre oder treffen auf den
Forward Detektor (FCAL). Damit erhält man ein Ereignis mit vergleichsweise hoher Multiplizität.
Die totale Energie ist in diesen Ereignissen allerdings klein, so dass man nach
einem zusätzlichen
Energieschnitt praktisch nur noch hadronische
Ereignisse übrig behält.
Die hier diskutierten Effekte sollten eine direkte Auswirkung auf Ihre Selektion haben:
- Leptonische Ereignisse haben bei kleinen Streuwinkeln oft so wenige Hits in der
Spurkammer, dass sich zwar eine Spur rekonstruieren lässt, der Impuls jedoch sehr ungenau
ist. Daher ist es sinnvoll, bei leptonischen Ereignissen auf
zu schneiden.
- Die kosmischen Myonen stellen eine wichtige Untergrundquelle
dar (überlegen Sie sich, in welchen Zerfallskanälen). Sie entstehen durch Wechselwirkungen
der kosmischen Strahlung mit der Atmosphäre. Sie können die Tatsache ausnutzen, dass die
Spuren von kosmischen Myonen nicht nur von der Detektormitte kommen, sondern gleichmäßig
über den Detektor verteilt sind. Dazu stehen Ihnen die Größen D0mean und Z0mean
zur Verfügung.
Abbildung:
Unterschied zwischen Myonen aus -Zerfällen (links) und kosmischen Myonen (rechts) bei
Betrachtung mit starkem Zoom
|
- Eine weitere Untergrundquelle sind die bereits angesprochenen 2-Photon-Ereignisse, die
sich besonders bei den - und Hadron-Ereignissen bemerkbar machen. Hier empfiehlt sich ein Schnitt auf
die Acolinearität, da die beiden abgestrahlten Photonen meist nicht die gleiche Energie haben und das
Ereignis somit entlang der z-Achse geboostet ist.
- Geladene Teilchen können Bremsstrahlung emittieren.
Man unterscheidet die sogenannte “initial state radiation (ISR)”
, d.h. Bremsstrahlung, bei der die einlaufenden Elektronen (Positronen)
Photonen emittieren,
und die “final state radiation (FSR)”, d.h. Bremsstrahlung durch die geladenen Teilchen im Endzustand.
Ein ISR-Photon geht meistens entlang der Strahlröhre und ist somit meist nicht sichtbar. Der Impuls des
Photons macht sich durch einen “boost” bemerkbar, da das CM-System von und nicht mehr das
Laborsystem ist. Auch die FSR trägt dazu bei, dass bei einigen Ereignissen sowohl Impuls- als auch
Energiesumme geringer sind, als man es erwarten würde. Dies ist insbesondere bei Elektron-Ereignissen
unangenehm, da man hier einen Schnitt auf die geladene Energie machen möchte, um sie von den
Tau-Ereignissen zu trennen.
Abbildung 4.8:
Feynman-Diagramme der wichtigsten untersuchten Prozesse
|
Abschließend diskutieren wir Effekte, die alle Zerfallskanäle des
gleichermaßen betreffen. Sie sind zwar für die Durchführung des Praktikumsversuches nicht bedeutsam,
vermitteln jedoch einen Ausblick, was bei einer genaueren Analyse noch beachtet werden muss.
- Elektronisches Rauschen, das den Signalen der Detektoren überlagert ist,
kann ein Signal vortäuschen und zu Fehlinterpretationen
führen. Zum Beispiel findet man in der Jet-Kammer einzelne isolierte
Spurpunkte, die
nicht mit einer Spur assoziiert werden können. Durch elektronisches Rauschen
kann auch eine kleine Energiedeposition in den Kalorimetern vorgetäuscht
werden. Deshalb können Photonen unterhalb einer Energie von 1 GeV
nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden.
- Die Nachweiswahrscheinlichkeit aller Detektorkomponenten ist
immer kleiner als 100%. So kann es z.B. vorkommen, dass in den Myonkammern nur
3 der 4 Lagen ein Signal erzeugen. Ebenso können in einer
ansonsten gut zu identifizierenden Spur in der Jet-Kammer ein oder mehrere
Spurpunkte fehlen.
- Bedingt durch den Aufbau der Detektoren, ergeben sich Lücken
zwischen den einzelnen Modulen der Kalorimeter und im
Vorwärts-Rückwärts-Bereich (Durchführung des Strahlrohres). Treffen
Teilchen auf diese Lücken, so erhält man falsch gemessene Energien. Bei
geladenen Teilchen kann man die Spur durch die Kalorimeter extrapolieren, um
festzustellen, ob eine Lücke getroffen wurde.
- Ein wichtiger Aspekt für die Teilchenidentifikation von Elektronen,
Myonen und besonders von Tau-Leptonen,
welche aus den leptonischen Zerfällen des
stammen, ist die Redundanz, die man durch die paarweise Produktion von
Teilchen und Antiteilchen erhält. Wurde z.B. ein -Lepton aus dem
Zerfall des eindeutig nachgewiesen, so muss in diesem Ereignis auch ein
-Lepton vorhanden sein. Damit lassen sich die zur
Identifikation benutzten Kriterien auf einfache Weise testen und die
Nachweiswahrscheinlichkeit berechnen.
- Eine Untergrundquelle sind die sogenannten „beam-gas”-Ereignisse.
Dies sind Streuungen von Elektronen oder Positronen des Strahls
mit Teilchen des Restgases
in der Vakuumröhre. Sie unterscheiden sich unter anderem von
-Wechselwirkungen durch die Vertexposition, die
außerhalb der Detektormitte liegen kann, und dadurch, dass praktisch alle Teilchen
entweder in Vorwärts- oder in Rückwärtsrichtung fliegen.